Berichte der Schleusungskommission XXII

Einwandererzentralstelle Litzmannstadt, Schleusungskommission XXII
Auszug aus dem Monatsbericht April 1943 über die Erfassungsarbeit im Gau Württemberg
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                                                                                                   Weingarten, den 3.5.1943


[…] Im Verlauf der bisherigen Schleusung haben sich Schwierigkeiten ergeben, die gleichzeitig eine ganz erhebliche Belastung für die Kommission hervorrufen. Es kommen täglich Fälle vor, wo irgendein Teil einer eindeutschungsfähigen Herdstelle (Mutter, Vater, Sohn oder eine Tochter) als eindeutschungsfähig in den Vomi-Listen aufgeführt ist, während die gesamte übrige Herstelle in den Vomi-Listen nicht enthalten und somit als nicht eindeutschungsfähig anzusehen ist.

Der Vorschlag des RuS-Hauptamtes die nicht in den Vomi-Listen verzeichneten Einzelpersonen von eindeutschungsfähigen Herdstellen vorbehaltlich zu schleusen und jeweils der Volksdeutschen Mittelstelle, Umsiedlung D, durchzugeben, wurde, um überhaupt zu irgendeinem Ergebnis zu kommen, bisher von der Kommission durchgeführt. Die Volksdeutsche Mittelstelle hat sich verpflichtet in kürzester Zeit jeweils die telefonischen Anfragen schriftlich zu bestätigen und das entsprechende RuS-Urteil gleichzeitg mitzuteilen. Auf Grund dieser Abmachungen wurden vom 16.4. bis 30.4.43 insgesamt 92 Personen vorbehaltlich geschleust: Bestätigung sowie RuS-Urteil ist auf diese Anfragen bisher in keinem Fall eingegangen.

Wie die […] berufliche Übersicht zeigt, handelt es sich vorwiegend um bäuerliche Familien, die durchweg im Weinbau erfahren sind und über vorzügliche Fachkenntnisse verfügen, wenn sie auch nicht mit modernen landwirtschaftlichen und sonstigen Maschinen zu arbeiten gewöhnt sind. Ferner erschienen Dorfhandwerker mit guten fachlichen Kenntnissen, die jedoch meist nebenher auch Landwirtschaft betrieben haben. – Alte Bauern mit vielen jugendlichen Mithelfern wurden für den Osten bestimmt, da die Höfe ihnen bis zur Absiedlung gehörten. Diese Alten, die zum Teil vom Arzt als nichteinsatzfähig erklärt wurden, sind auf der EWZ-Karte als "selbständige Bauern“ geführt worden. Ein erfreuliches Bild bilden die zahlreichen kinderreichen Familien und wiederum sind es die Kinder, die meist deutsch, d.h. schwäbisch sprechen, sodass sie von den Einheimischen kaum zu unterscheiden sind. Die Sprachkenntnisse beiden in Lagern Untergebrachten sind mangelhaft, dagegen bei denen, die sich in Arbeit befinden, gut. Sehr angenehm an den Absiedlern fällt auf, dass sie ehrlich sind und nicht kriecherisch. Sie machen aus ihrer Gesinnung keinen Hehl und versprechen nicht mehr als sie halten können. Übereinstimmend haben alle den Wunsch "zurück zur Untersteiermark.“ Alle haben ein ausgesprochenes Heimatgefühl und bringen in durchaus bescheidener Form zum Ausdruck, dass sie für die Dauer des Krieges wohl gern in Deutschland und an ihren verschiedenen Arbeitsplätzen bleiben wollen, dann aber bitten, in ihre Heimat zurückkehren zu dürfen. Das Württemberger Land sagt ihnen sehr zu, weil es sie stark an die verlassene Heimat erinnert und auch hinsichtlich der landwirtschaftlichen Verhältnisse sowie des Wein- und Obstbaues viel Ähnlichkeit mit den eigenen Höfen hat. – Ausschließlich handelt es sich bei den Slowenen-Absiedlern um Angehörige der römisch-katholischen Kirche.
Nach den von mir gemachten Erfahrungen sind es leider gerade die "Windischen“, die, obwohl alle in die alte Heimat zurück wollen, sich am meisten gegen das Deutschtum sträuben. Leider muss auch gesagt werden, dass viele aus dem Wunsche heraus "zurück zur Untersteiermark“ sich gar nicht einzugewöhnen versuchen. Es wurden Klagen vorgebracht über schlechte Arbeitsplätze und es sei wenig Verständnis seitens der Arbeitsämter vorhanden. Umvermittlungen würden grundsätzlich abgelehnt. Inwieweit diesen Angaben Glauben zu schenken ist, kann vor hier aus nicht beurteilt werden. Fernerhin wurde geklagt über die Verpflegung in den einzelnen Lagern. aber gleichzeitig auch von denen, die aus den Lagern entlassen, sich in Arbeit ausserhalb befinden, die wiederum der Lagerverpflegung nachtrauern.
Wünsche von Einzelpersonen, die sich z.Zt. der Absiedlung im Absiedlungsgebiet befunden haben, deren Kinder jedoch in der Untersteiermark verblieben sind, wurden hier vorgetragen und auf den EWZ-Kartenvermerkt. Auch Überstellungen zu den bereits im Reich befindlichen Familienangehörigen wurden von einzelnen Absiedlern erbeten.
Wie ich aus gelegentlichen Gesprächen mit den Absiedlern feststellen musste, haben diese unter "Ansiedlung im Osten“ die Vorstellung wie etwa "Verbannung nach Sibirien“.
Es ist ihnen noch gar nicht bewusst, dass eine Ansiedlung im Osten für sie nur eine Auszeichnung und keine Demütigung oder Verbannung ist, wo sie als Vertreter des Deutschen Reiches die neugewonnenen Gebiete zu verwalten haben und wo sie für sich und ihre Familie eine neue und schönere Zukunft aufbauen dürfen.


                                                                                                                          gez.                                                                                                                    Portmann
                                                                                                            SS-Haupsturmführer
Bundesarchiv Berlin R 69/379, Blatt 29, 29v

 

                                        Bereichsbericht Südwest Juni 1943

 

Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD
         Einwandererzentralstelle
         Fliegende Kommission XXII
Tgb. Nr. 536/43                                                                  Saarbrücken,den 20.Juni 43

An den
Chef der Sicherheitspolizei und des SD
Einwandererzentralstelle
Führungsstab Litzmannstadt
- Information -
Litzmannstadt
Holzstrasse 88

Betr.: Bereichsbericht Südwest.

In der Anlage wird der Bericht über die in der Zeit vom 24.3. bis 12.6.43 im Bereich des Höheren SS- und Polizeiführers Südwest in Heilbronn, Neresheim, Biberach/Riss, Untermarchtal, Weingarten, Rottweil, Villingen, Lörrach Lahr, Gerlachsheim und Bruchsal durch die Fliegende Kommission XXII erfassten Slowenenabsiedler übersandt. Ausser den im Bereich Südwest in Lagern untergebrachten bezw. auch im Arbeitseinsatz befindlichen Slowenenabsiedlern wurden in der angegebenen Zeit noch 121 Personen aus dem Bereich des Höheren SS- und Polizeiführers Rhein und 10 Personen aus dem Bereich des Höheren SS- und Polizeiführers Fulda-Werra erfasst, die bisher statistisch nicht gezählt wurden und erst nach Beendigung der Erfassung in den genannten Bereichen mit gemeldet werden. Die Letztgenannten wurden aus den Bereichen Rhein und Fulda-Werra nach Gerlachsheim bezw. Bruchsal vorgeladen, da die Anreise nach diesen Orten günstiger war als dies nach den Lagern Chausseehaus bei Wiesbaden bezw. Kassel der Fall gewesen wäre.
Ausserdem wurden in der Berichtszeit noch 32 Herde, davon 19 Einzelpersonen, mit 64 Personen aus dem Bereich des Höheren SS- und Polizeiführers Südwest vorbehaltlich geschleust, die in den Vomi-Listen nicht enthalten waren und von denen eine Bestätigung ihrer Eindeutschungsfähigkeit durch die Vomi Berlin bisher nicht vorliegt. Weite wurden 59 Herde – davon 16 Einzelpersonen – mit 168 Personen aus der Sonderaktion Marburg vorbehaltlich geschleust. Für 55 Herdstellen – davon 14 Einzelpersonen -  mit 158 Personen wurden Staatsangehörigkeitsausweise für die Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit auf Widerruf nicht (aus?)gegeben, da die rassischen Wertungen fehlten. 4 Herdstellen –davon 2 Einzelpersonen – mit 10 Personen wurde die Schutzangehörigkeit zum Deutschen Reich zuerkannt, da die Stellung eines Antrags auf Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit auf Widerruf verweigert wurde.
Insgesamt wurden also durchgeschleust:
                                            Bereich Südwest                              5027 Personen
                                            Bereich Südwest (vorbehaltlich)      64    "
                                            Bereich Südwest (Marburger
                                            Sonderaktion vorbehaltlich)            168    "
                                            Bereich Rhein                                      121    "
                                            Bereich Fulda-Werra                            10        "
                                            Zusammen                                        5390 Personen
[…]
Im Verlauf der Durchschleusung im Bereich des Höheren SS- und Polizeiführers Südwest ergaben sich ausser den bereits im Monatsbericht vom April 43 mitgeteilten Schwierigkeiten noch weitere, die eine erhebliche Mehrarbeit zur Folge hatten. So musste wiederholt festgestellt werden, dass durch die Gaueinsatzführungen bezw. SS- und Polizeiführer, ausgenommen die Gaueinsatzführung Württemberg, mehrmals Lagerumbelegungen vorgenommen wurden, ohne dass diese nach hier mitgeteilt worden wären. Es wurden beispielsweise für den 7.6. aus dem Lager Neureut auf Grund der Eintragungen in den Vomi-Listen 5 Herde mit 30 Personen nach Bruchsal vorgeladen. Laut Schreiben des dortigen Lagerführers vom 27.5.43 befanden sich aber zusätzlich noch 5 eindeutschungsfähige Herde mit 21 Personen in dem genannten Lager, zusammen also 51 Personen. Nach ausgeführter Überprüfung, die wegen der nicht-alphabetischen Anlegung der Vomi-Listen äusserst zeitraubend war, wurde festgestellt, dass sich von diesen 5 Herden mit 21 Personen 3 Herde mit 14 Personen im Umsiedlungslager Schloss Langenzell, 1 Herd mit 4 Personen im Umsiedlungslager Langensteinbach und 1 Herd mit 3 Personen im Umsiedlungslager Gerlachsheim aufhalten soll. Weiter waren für die Erfassung in Gerlachsheim zum 1.6 111 Personen vorgesehen. Laut Mitteilung des dortigen Lagerführers befanden sich aber ausserdem noch 6 eindeutschungsfähige III+E Herdstellen mit38 Personen in dem angeführten Lager, die nach den Vomi-Listen in 5 Fällen für andere Lager vorgesehen bezw. in einem Fall in der Liste nicht auffindbar waren. Letzterer war lediglich in der R.u.S.-Liste als eindeutschungsfähiger III+E Fall verzeichnet. Da die Vorladungen für Bruchsal bereits abgeschickt worden waren und ein Schleusungstag nicht mehr eingelegt werden konnte, ergab sich durch die geschilderten Lagerumbelegungen die Notwendigkeit, diese 38 Personen noch am 1.6. zu erfassen, so dass an diesem Tage 149 Personen durchgeschleust werden mussten. Ähnliche Fälle wiederholten sich einige Male. Weiter wurden durch die Vomi Berlin einzelne Slowenenabsiedlerherde innerhalb des Bereiches Südwest doppelt gemeldet. […]
Die erfassten Slowenenabsiedler machten bis auf einige Ausnahmen einen sehr guten Eindruck.
Die Umsiedlerfamilien waren in Württemberg sowohl als auch in Baden bei Industrie, Handwerk, Haushaltungen, zum grössten Teil jedoch aber in der Landwirtschaft und im Weinbau eingesetzt. Besonders hat sich der Einsatz der Slowenen in der Land- und Weinwirtschaft als sehr gut erwiesen; es handelte sich durchwegs um grosse Familien, durchschnittlich 8 bis 10 Köpfe. Auch die in Industrie, Handwerk und Beherbergungsgewerbe eingesetzten Slowenenabsiedler wurden durchwegs von ihren derzeitigen Betriebsführern gut und bestens beurteilt. Die beigezogenen Leistungsgutachten waren in der Mehrzahl so inhaltsreich, dass man sich einigermassen ein Bild über die betreffende Familie machen konnte. Desgleichen muss erwähnt werden, dass die Leistungsgutachten jeweils am Schleusungstag restlos pünktlich zur Stelle waren.
Die gelegentlich der Schleusung von den Slowenenabsiedlern vorgebrachten Bitten und Beschwerden wurden kurz aufgenommen und jeweils nach Abschluss des betreffenden Gaues an den zuständigen Höheren SS- und Polizeiführer weitergeleitet. Während sich die Beschwerden im Gau Württemberg in gewissen Grenzen hielten, d.h. an Zahl und dargelegten Gründen gering und von wenig Bedeutung waren, war es im Gaugebiet Baden erforderlich, dieselben festzuhalten und an den Höheren SS- und Polizeiführer weiterzuleiten. Es musste die Erfahrung gemacht werden, dass hier die Slowenenabsiedler mehr oder weniger den Kriegsgefangenen oder den jeweils im gleichen Betrieb beschäftigten Ostarbeitern gleichgestellt wurden. Desgleichen wurden auch Beschwerden vorgetragen, nach denen die Slowenenabsiedlerfamilien die gleiche Kost am gleichen Tisch mit den ausländischen Arbeitern teilen mussten. Auch an der sonstigen Behandlungsweise wurde wiederholt von den an sich bescheidenen Slowenenabsiedlern Anstoss genommen. Auch über die Bezahlung in der Landwirtschaft wurde sehr oft Klage geführt. Da von hier aus eine Überprüfung der Beschwerden und Mängel nicht stattfinden konnte, wurden jeweils entsprechende Berichte über jeden Fall gesondert an den Höheren SS- und Polizeiführer "Südwest“ weitergeleitet. Ein besonderes Kapitel bildet das Problem der Hausangestellten. Ich musste auch wieder in diesen Gebieten die bedauerliche Feststellung machen, dass die Vermittlung von Hausangestellten an Männer von Partei und Staat scheinbar eine wesentliche Rolle spielte. Jedenfalls wurden aus vielen Familien (hauptsächlich Bauern) Töchter herausgezogen und nach hier und dort in Haushaltungen vermittelt. In wieweit die Bedürfnisfrage hier vorliegt, kann von hier aus nicht beurteilt werden. Vermutlich wären diese Mädels besser in der Landwirtschaft zur Vollendung der Erzeugungsschlacht eingesetzt.


                                                                                                                Portmann
                                                                                                     SS-Hauptsturmführer

Bundesarchiv Berlin R 69/433, Blatt 68-72